Da sitzt er neben mir, erzählt mir über seine Kultur. Ich bin fasziniert. Wir sind am Hermannplatz, aus den Lautsprechern eines Standes, der leckere arabische Süßigkeiten verkauft, erklingt Musik, ein altes, wirklich schönes Lied. “Das kennt bei uns jeder, wenn es gespielt wird, singen die Leute mit.” Und ja, da laufen Leute vorbei, die mitsingen. Ganz unterschiedliche, junge und alte. Ein bisschen fühlt es sich an, als wäre ich in einem arabischen Land. Und ich fühle mich wohl.
“Gibt es sowas hier auch?”, fragt er mich. Und: “Was ist denn so deutsche Kultur? Ich habe noch nichts gefunden.” Ich überlege. Ja, was ist deutsche Kultur? Was gibt es da, was uns zusammenhält? Was eint uns, wo stehen wir in der Mehrheit dahinter? Was soll es sein, dass es wert ist, dass “Deutschland den Deutschen” gehören soll? Das Treten nach unten? Die sauertöpfische Miene am Morgen oder ganztags? Bier und Bratwurst? Der christliche Hintergrund, der für die wenigsten wirklich eine Rolle spielt? Goethe und Schiller, die fast keiner mehr kennt oder versteht? Die gemeinsame Wut darüber, dass unter 10 Sorten Weichspüler ausgerechnet die Lieblingssorte fehlt? Jammern, was das Zeug hält? McDonalds, Burgerking, Coca Cola, Ikea, Enterprise Rent a Car? Kinder im unterfinanzierten und altmodischen Schulsystem und Alte im Pflegeheim abzulegen? Ständig vor irgendwas Angst zu haben? Allem Neuen mit Misstrauen zu begegnen statt es zu begrüßen und zu erforschen? Was?
Ich habe bis heute keine Antwort. Und vielleicht gibt es auch einfach keine. Vielleicht ist “Deutsch sein” einfach das einzige, das wir gemeinsam haben. Und vielleicht heißt das einfach, nicht zuviel nachzudenken und dem hinterher zu rennen, der lauthals tönt, er würde es besser machen. Und ansonsten zu meckern.
Wie schön, dass ich IHN kenne. Und dass ich weiß, wo ich hingehen werde, wenn die “Deutschen” überhand nehmen.
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