Make Life Easy

Wie sagt mein Freund immer so schön? “Make life easy!” 

Als Deutscher stand ich dem am Anfang etwas ratlos gegenüber. Wie jetzt? Das Leben ist halt nun mal nicht immer einfach. Hier ein Problem, da etwas, worüber ich mir Gedanken machen muss. Und über die Zukunft sollte man schon gar nicht so genau nachdenken. Wie soll ich es da einfach “einfach” machen?

Ich muss dazu sagen, mein Freund ist Muslim und kommt aus einem arabischsprachigen Land. Er ist seit mehreren Jahren in Deutschland und er ist ein sehr schlauer Kopf. Er hat studiert und ist unglaublich belesen. Aber das interessiert hier niemanden. Bewerbungen noch und nöcher liefen ins Leere. Unzählige Vorschläge für Weiterbildungen, Ausbildung usw.  beim Jobcenter wurden abschlägig beschieden. Eine Weiterbildung zum Lieferfahrer oder als Security wäre wohl locker durchgegangen. Komischerweise bekam er kürzlich schließlich ganz schnell seine Chance, als ich mit zum Jobcenter kam. Aber das ist eine andere Geschichte.

Er lebt noch in einem Wohnheim, bis vor kurzem sogar noch im Zweibettzimmer, hat unglaublich viele Stationen in Berlin hinter sich und hofft irgendwann auf eine eigene Wohnung. Wohlfühlen kann er sich in seiner Unterkunft nicht. Und da ich öfter da bin, kann ich das gut nachvollziehen.

Aber: “Make life easy!” Wie geht das? Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um ihn zu verstehen. 

Ich gehe seit einiger Zeit gewissermaßen bei ihm in die Lehre. Er erzählt mir, immer lebensnah, über seine Kultur und seinen Glauben. Und an ganz vielen Stellen denke ich mir, wow, was ist das denn? Ich beginne, mich da zu Hause zu fühlen. Das ist etwas, was mir von jeher in unserer Gesellschaft fehlt. Wirklich zugehörig habe ich mich nie gefühlt. Sollte ich da was gefunden haben, das mir mehr bietet? Unterschätzen wir diese Menschen, die hier so misstrauisch betrachtet werden, etwa maßlos?

Ich bemühe mich von jeher, so vorurteilsfrei durch’s Leben zu gehen wie möglich. Und, das muss ich einfach zugeben, meine Antwort auf diese Frage ist ein eindeutiges “Ja”. In meiner Welt wirft das Fragen auf. Vielleicht ist der Begriff “Integration” ja einfach zu kurz gefasst. Wir könnten etwas voneinander lernen. Anstatt nur zu erwarten, dass “die Anderen” unsere Sprache lernen und irgendwann Bier trinken und Bratwurst essen, gibt es da ganz viele Dinge, die womöglich unsere Welt besser machen könnten.

Neulich hat mein Freund erzählt, wie er sich hier fühlt. Dass er unterschätzt wird, viele ihn für dumm oder ungebildet halten, ohne ihn überhaupt zu kennen, damit kann er umgehen. Wie die Menschen ihn anschauen, das trifft ihn. 

Ich habe meine Konsequenzen gezogen. Sehr persönliche, von denen ich vielleicht irgendwann später erzähle. Und solche, die ich nach außen bringen will. Den ersten Teil davon hast Du gerade vor dir. 

Ich bin mir bewusst, dass ich damit auf mindestens soviel Ablehnung wie Zustimmung stoßen werde. Ich bin mir auch bewusst, dass es immer nur ein Ausschnitt sein wird, den ich mitbekomme und dass es überall Menschen gibt, die sich nicht an die Regeln halten, die vielleicht nicht so gute Absichten haben oder die anderen Schaden zufügen. Aber ich will nicht in einer Welt leben, in der erstmal jeder jedem etwas Schlechtes unterstellt und ihn mit Misstrauen betrachtet. Wollte ich auch nie. Und wenn das jemand als naiv ansehen mag, dann nur zu. Ich habe für mich entschieden, dass ich dem guten Rat meines Freundes folge: “Make life easy!” Auch, wenn das vor meinem ur-deutschen Hintergrund manchmal gar nicht so einfach ist.


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